7200 km auf Schienen durch Mittel- und Osteuropa

Dieses Thema im Forum "Europa Forum" wurde erstellt von Kitakinki, 15. Oktober 2013.

  1. Kitakinki

    Kitakinki Reisefuchsforum Legende

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    In den letzten Wochen war ich ein bisschen mit dem Zug unterwegs, daher gibt's jetzt ausnahmsweise keine Bilder aus Japan :tongue5:

    Die Reiseroute wie folgt:
    München - Moskau (via Wien, Budapest, Tschop, Lviv, Kiev) - St. Petersburg - Kaliningrad (via Vitebsk, Vilnius) - Vilnius - Minsk - Warschau - Berlin - München (Pasing).

    Das Visum für Russland hatte ich mir über eine Münchner Agentur besorgt, das für Belarus im örtlichen Konsulat. War beides unkompliziert und hat nur ein Weilchen gedauert weil eine schnelle Bearbeitung mehr Geld kostet.
    Die Fahrkarten habe ich entweder über die DB erworben (am Schalter, bei Schlafwagenverbindungen kann das je nach Erfahrung der Person am Schalter auch mal etwas länger dauern) oder auf pass.rzd.ru. Da bekommt man für russische Tickets eine Buchungsnummer, die man dann zusammen mit der Passnummer in einen Automaten tippt und schwupps - schon ist die Fahrkarte da.
    Die Fahrkarte von St. Petersburg nach Kaliningrad hatte ich über die Agentur Real Russia erworben, aufgrund der Fahrt durch Litauen ist das ein bisschen umständlicher und kann nur in Russland gekauft werden.

    Los ging's am ersten Wiesnsamstag um sechs Uhr morgens mit der Schnellbahn. Da saßen dann schon die ersten Besucher der Festwiese im Zug und haben sich Mut mit einem Fünfliterfassl Schaufelbrause angetrunken. Da ist mir dann auch wieder bewusst geworden warum ich meinen Urlaub auf diese Zeit gelegt hatte, nämlich um diesem grotesken Massenbesäufnis zu entkommen. Ein älteres Ehepaar meinte am Bahnhof noch ganz entgeistert "Wenn die so früh fahren arbeiten die bestimmt auf dem Oktoberfest!" - von wegen :becky:

    Die Fahrt im Railjet nach Budapest war ereignislos, viele amerikanische Touristen an Bord.

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    In Budapest angekommen habe ich dann erstmal ein paar Forint besorgt. Die Wechselstuben im Bahnhof Keleti haben ganz schlechte Wechselkurse, bei den Arabern die davor rumlungern ist der Kurs etwas besser, aber auf längere Verhandlungen um zumindest 290 Forint pro Euro zu bekommen hatte ich keine Lust. "Heut ist der Kurs gefallen, der schwankt immer ganz stark, mimimiii..." - bestimmt. Also flott 15.000 Forint für ein Abendessen und ein paar Einkäufe abgehoben sowie den Koffer ins Schließfach verfrachtet. Das wollte meinen uralt-Schein von der Klassenfahrt 2003 nämlich zuerst nicht nehmen...
    Ein bisserl bin ich in der Stadt herumgelaufen, bis zur Markthalle an der Donau (hatte schon zu) und dann mit der Ubahn retour. Da standen dann an den Rolltreppen zum Bahnsteig immer drei Kontrolleure, damit auch niemand schwarzfährt. Generell hat die Innenstadt einen sehr aufgeräumten Eindruck gemacht, ich habe auch keine Bettler gesehen. Das dürfte die Auswirkung von Orbans radikaler Politik sein, im letzten Jahr wurden radikal alle Obdachlosen aus den Ubahnstationen entfernt.

    In einem Kellerlokal nahe des Bahnhofs gab's dann Gulasch und ein Bier zu Abend. Nichts besonderes, bodenständige Hausmannskost. Mein ungarischer Kollege meint ja Pörkölt ist nur gut wenn der Löffel drin stehen bleibt.

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    Gleich in der Nähe des Bahnhofs war dann auch eine Seitenstraße mit Obstladerl (zwei Kilo Zwetschgen für zwei Euro), Bäcker (verschiedene Süßwaren zu sehr günstigen Preisen) und einem Supermarkt, wo ich mich dann für die nächsten 38 Stunden im Zug eingedeckt habe. Beim Albrecht bin ich gleich wieder raus, der hatte größtenteils seine Österreichischen Waren zu vergleichsweise hohen Preisen im Angebot.

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    Mit zwei großen Tüten voller Proviant (der hätte bis Wladiwostok gereicht) blieb mir dann nur noch auf die Bereitstellung des Tisza-Express nach Moskau zu warten.
     
    Zuletzt bearbeitet: 17. Oktober 2013
  2. Manfel

    Manfel Administrator Mitarbeiter

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    super .. ich freu mich schon
     
  3. Kitakinki

    Kitakinki Reisefuchsforum Legende

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    Der Waggon war schon etwas älter. Außer mir waren nur Russen und Ukrainer an Bord (ich habe mich zunächst etwas seitlich angestellt und bei der Fahrkartenkontrolle durch die Schaffnerin auf die Pässe der anderen Leute geschielt). Wie in Russland ging's nur auf Russisch weiter, mit Englisch braucht man es gar nicht erst versuchen.
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    Wagen 438, Budapest - Moskau. Fahrtzeit 38 Stunden und ein paar Zerquetschte. Ich hatte einen Platz im Doppelabteil gebucht. Man muss dazuerwähnen dass die Abteile von russischen Zügen in's Normalspurland (russische Breitspurgleise haben 1520 mm Abstand, mitteleuropäische 1435 mm) drei Betten haben und zudem recht schmal sind. Bei dreifacher Belegung und zwei Koffern pro Person wird's da ganz schnell kuschlig. Für den russischen Streckenabschnitt wird bei Buchung eines Doubles eine Erstklassfahrkarte fällig, für den ungarischen und ukrainischen Abschnitt reicht eine Fahrkarte zweiter Klasse.
    Der Tisza-Express Budapest-Moskau ist aus Süddeutschland die brauchbarste Verbindung nach Russland. Man ist dank Railjet recht schnell in Budapest und braucht kein Transitvisum für Weißrussland. Ab der ukrainischen Grenze hängen die Waggons nach Moskau (aus Bar, Belgrad, Split) sowie nach Kiew am Zug Uzhhorod - Moskau. Es gibt noch einen Kurswagen von Bratislava nach Moskau der später ebenfalls dazustößt, der fährt allerdings schon spätmittags los, da hätte ich schon um fünf Uhr morgens in München losgemusst. Besagter Waggon hängt nach Kosice in der Ostslowakei an einer Regionalbahn welche alle fünf Meter anhält. Das Erlebnis hatte ich 2010 schon gemacht :smile3:
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    Wer hat's gebaut? Nein, nicht die Schweizer. Ein Großteil der russischen RIC-Wagen (Regolamento Internaz ionale delle Carrozze, ein Abkommen welches internationale Standards für Reisezugwagen festlegt, die russischen Breitprofilwaggons verkehren mittlerweile nur noch selten außerhalb der ehemaligen UdSSR) wurde in der DDR gefertigt. Das neue Rollmaterial für den Ost-West-Express Paris-Moskau kommt von Siemens aus Simmering. Der ist allerdings verhältnismäßig teuer und hat eine total bescheuerte Ankunftszeit in Moskau, zwei Minuten vor Mitternacht. Ich mag zwar Iron Maiden, aber dann noch Geld besorgen, in die Metro und zur Unterkunft, meh. Dafür sind die Grenzkontrollen allerdings zu humanen Zeiten und nicht mitten in der Nacht.
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    Wenn man nicht so gut klettern kann braucht man die Stafflei, sonst wird schwierig ins obere Bett zu kommen :becky:
    Gleich nach dem Einsteigen hatte ich mit einem Ukrainer Platz getauscht, dessen Frau und er hatten kein gemeinsames Abteil mehr bekommen. Mein neues Reich hatte ich dann bis Moskau für mich alleine. Da waren lediglich noch vier Reisetaschen auf dem oberen Bett und in der Gepäcknische unter dem unteren Bett, die gehörten dem zweiten Schaffner und einem Ukrainer, welcher in einem anderen Abteil schlief und nur zur Passkontrolle herüberkam. Die haben dann "Bisnes" mit den Grenzern gemacht.
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    Gegen den Tisza-Express sprechen die ungünstigen Zeiten der Grenzübergänge. Ungarische Ausreisekontrolle in Zahony um 23 Uhr (zwei wohlgenährte Grenzer mit Knarre und Lederjacke sowie einer im Kampfanzug, die haben allerdings nur die Ukrainer und Russen in die Mangel genommen), die Zöllner bekommen von der Schaffnerin einen ganzen Stapel Papier fürs "Bisnes". Die Waggons gen Osten werden dann über die Theiß-Brücke in die Ukraine zum Bahnhof Tschop geschubst. Da ist dann ukrainische Einreisekontrolle und die Pässe werden von einem Mann mit Lampenschirm auf dem Kopf eingesammelt. Mittlerweile haben alle Grenzer so ein tragbares Gerät zur Datenabfrage, das war 2010 noch nicht so. Da mein Ziel Moskwa war blieb's bei ein paar obligatorischen Fragen, die Zöllnerin konnte allerdings Deutsch (sehr gut sogar) und wollte alles ganz genau wissen. Was habe ich dabei, wohin fahre ich, welche Medikamente ich so dabeihabe und überhaupt ("Gegen Durchfall, aha, gegen Kopfweh, aha, Kondome, aha..." :smilewinkgrin3: ).
    Dann erfolgt das Umspuren, dabei werden Fahrgestelle und Kupplungen getauscht. Wenn man das Abteil am Waggonbeginn (Plätze 11-13-15) erwischt wird man unsanft gestört, wie ich 2010 erfahren musste:

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    Da ist nämlich die Verriegelung drin.

    Vom Umspuren selbst habe ich keine Fotos, Fotografieren war nicht gestattet. 2010 hatte ich nicht nachgefragt und kann zumindest ein schlecht beleuchtetes Foto von damals anbieten:

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    Die Arbeit wird bei jedem Wetter im Freien verrichtet.

    Mittlerweile hatte ich noch ein anderes Problem: Der Waggon hatte alte Toiletten, bei denen das Geschäft ins Gleisbett fällt. Während Stops wird daher das WC vom Schaffner verschlossen, und während der Überfahrt mussten schon ein paar Damen, da war für mich nichts mehr drin. Kurz aus dem Waggon hüpfen und beim Umspuren ins Nachbargleis bieseln wollte mich die Schaffnerin nicht lassen, jedenfalls solang bis es ihr zu blöd wurde dass ich immer auf dem Gang mit zusammengekniffenen Beinen herumlief und ein wehleidiges Gesicht machte.
    Daher: Auch wenn es serienmäßig einen Samowar gibt, vorher mal das Klo in Augenschein nehmen und ggf. auf das ein oder andere Tässchen Tee verzichten.
    Zwischenzeitlich habe ich noch mein Bett bezogen, Bettwäsche gibt's immer kostenlos.
     
  4. Rica

    Rica Reisefuchs

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    Klasse.... bitte weitermachen, Kitakinki! :yes3:
     
  5. Kitakinki

    Kitakinki Reisefuchsforum Legende

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    Nach dem Umspuren stand der Waggon noch eine halbe Stunde herum, dann ging's unsanft zurück zum Bahnhof. Zwischenzeitlich war ich eingenickt, wurde aber von den nicht zu überhörenden Lautsprecherdurchsagen aufgeweckt, dass der Zug Nr 16 Budapest - Moskau in Kürze abfährt. Da kam dann auch schon eine mir unbekannte Grenzbeamtin durch den Gang gestakst und gab die Pässe zurück. Der Ukrainer von vorher kam wieder ins Abteil, nahm eine der Reisetaschen und verabschiedete sich überschwänglich. Bei der Zollkontrolle war er noch ganz angespannt gewesen, wiesu denn bluß, hatte er gar etwas zu verzollen :confused3:
    Extra das Umspuren auszusitzen um dann in Tschop auszusteigen ist schon sehr komisch, er hätte nämlich auch schon vorher rausgekonnt. Oder in Zahony aussteigen und zu Fuß den Grenzübergang für Autos benutzen. Eine Freundin war zur gleichen Zeit mit dem Auto in der Ukraine unterwegs und erzählte von peniblen ukrainischen Kontrollen an der Grenze (sie war über Zahony eingereist), das wird dann auch der Grund gewesen sein warum der Ukrainer den Kurswagen nach Moskau für den Grenzübertritt ausgewählt hat...

    Man glaubt es kaum, aber um viertel nach vier in der Früh war dann tatsächlich Ruhe und ich auch ausreichend ermüdet um mich von der ruckeligen Fahrt nicht aufwecken zu lassen. Nächster Halt: Lviv/Lvov/Lemberg um 10:32. Hier hat der Zug einen längeren Aufenthalt und man kann sich am Kiosk mit einem Umtrunk eindecken. Russische Rubel werden akzeptiert, nach Euro hab' ich nicht gefragt.

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    Kleine Rollmaterialkunde: Die Nummer 017 steht für die Moskauer Eisenbahnverwaltung, denn die Russischen Eisenbahnen (RZD) sind in insgesamt 19 Direktionen unterteilt. 025 stünde z.B. für die Eisenbahnen von Gorki, so hieß Nishni-Nowgorod während der Sowjetzeit. Bei der fünfstelligen Nummer darunter gibt die erste Ziffer die Wagengattung an (RIC-Schlafwagen) sowie die darauffolgenden 3 Ziffern die durchlaufende Nummer. Die letzte Ziffer ist eine Kontrollziffer. "WLABm" steht für Wagon Lits (Schlafwagen) mit Erst- und Zweitklassabteilen. das "m" für mindestens 24,5 m Baulänge.

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    In russischen Farben: Der Kurswagen Bratislava - Moskau. Dahinter sieht man schön den Unterschied zu russischen Breitprofilwagen. Da war auch ein Speisewagen dabei, der allerdings mit 8 Euro für einen Borschtsch sehr teuer war.

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    Die hässliche grau-rote Farbenkombination ist seit einigen Jahren die CI der russischen Eisenbahn. Schaut imho furchtbar aus.
    In Lviv werden auch immer wieder sogenannte "Hasen" von den russischen Schaffnern mitgenommen, die fahren innerukrainisch schwarz und nur der Schaffner sieht dann ein paar Rubel (oder Griwna). Die günstigste Fahrkarte von Lviv nach Kiev kostet regulär 9,50 Euro, so kommt man wahrscheinlich für einen Fünfer herum.

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    In jedem Waggon hängt der Fahrplan, allerdings nur auf Kyrillisch. Verzeichnet sind die Kurswagen aus Budapest, Belgrad, Bar, Split, Bratislava und Zvolen. Zudem gibt's noch ein paar andere Aushänge, etwa über die je nach Jahreszeit wechselnden Preiskoeffizienten, beim Schaffner käufliche Lebensmittel, Beförderungsbestimmungen etc.

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    Nach Lviv gab's dann erstmal einen Tee. Grün, nicht gehopft.

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    Die Landschaft Ostgaliziens ist recht eintönig. Zwischen Tschop und Lemberg solls schöner sein, nur leider war es da noch Nacht.

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    Nächster Halt: Ternopil. Auch da hüpften wieder Hasen in die Kurswagen nebenan.

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  6. marimari

    marimari Reisefuchsforum Mod

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    Hallo,interessanter Bericht..danke...ein Urlaub für mich wär das aber nicht-irgendwie kommen bei den Bildern morbide Gedanken auf.
    Schreib aber bitte weiter..Gruss M.:smilewinkgrin3:
     
  7. Kitakinki

    Kitakinki Reisefuchsforum Legende

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    Hmm, kann schon verstehen dass das ein bisschen anachronistisch wirkt. Wobei die Reise im Vergleich zu meiner Fahrt bis Wladiwostok 2010 dieses Mal recht kurz ausgefallen ist. Allerdings wusste ich dann natürlich was mich erwartet, besonders das Umspurtheater in Tschop ist schon ein Erlebnis für sich. Für den Durchschnittstouristen der sich Moskwa und Piter ansehen will ist der Zug keine ernsthafte Alternative zum Flugzeug, auch nicht preislich. Das fällt alles unter die Kategorie "Ostblock bewusst erleben" :tongue5:

    Die Reise war eher ein Test wie weit mein Russisch schon gediehen ist (ohje) und ob nach der ganzen Zugfahrerei mein Vorhaben BAM + Sachalin im nächsten Sommer immer noch steht.
     
  8. marimari

    marimari Reisefuchsforum Mod

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    Dein russisches Interrail ist interessant - lese gerne mit.

    "do fßträtschi" (До встречи)
    Mari :RpS_biggrin:
     
  9. Kitakinki

    Kitakinki Reisefuchsforum Legende

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    Für Interrail bin ich mit 26 schon zu alt, ab da wirds teuer :tongue5: . Zumals das seit der Abschaffung des Eurodomino-Tarifs in der ehemaligen UdSSR eh nicht mehr gibt...

    Als Nachtrag noch der Zielanzeiger im Bahnhof Budapest-Keleti, der war unter den Handyfotos und ist mir durchgerutscht. "Gyors" heißt Schnellzug und hat nichts mit der Stadt zu tun.

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    Abwarten und Tee trinken. Der Steinkrug ist praktisch, man muss nicht dauernd zum Nachfüllen laufen und stabil steht er auch.

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    Am Bahnhof von Chmelnitzkiy war der Aufenthalt etwas länger und ich habe mir bei einer Oma am Bahnsteig ein spätes Mittagessen gekauft.

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    Generell wird in Osteuropa ja viel über die Gleise gelaufen, oft geht's auch gar nicht anders. Vorsichtig muss man trotzdem sein, da bricht gern mal ein Güterzug ins Bild...

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    20 Wareniki, Teigtaschen mit Kartoffelfüllung, für 100 Rubel. Liebevoll abgefüllt in eine Plastiktüte und warm im Waggon serviert. Das würde ich jederzeit einem förmlichen Abendessen in einem noblen Restaurant vorziehen :becky:

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    In Kiew betrug der Aufenthalt schließlich 40 Minuten, die Lok wurde gewechselt sowie die Kurswagen nach Kiew abgekoppelt. Auf dem Bahnsteig lief ein Verkäufer mit Torten herum, das scheint wohl eine lokale Spezialität zu sein.

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    Die ukrainische Ausreisekontrolle fand um 23 Uhr in Konotop statt, noch weit von der Grenze entfernt. Die russische Einreisekontrolle dann um halb drei Uhr morgens in Suzemka. In Kiew hatte ich die Schaffner der Kurswagen aus Belgrad und Bratislava nach anderen Fahrgästen aus der EU gefragt: Ich war der einzige nicht-GUS-ler darin. Wohl deswegen sind dann vier russische Grenzer vor dem Abteil gestanden und haben sich meinen Pass ganz genau angeschaut. Allerdings ohne böse Absicht, nach einem einfachen "Moskwa" als Antwort gab's keine weiteren Fragen mehr.

    Nach insgesamt 50 Stunden Fahrt war ich dann tatsächlich schon in Moskau am Kiewer Bahnhof angekommen.

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    Eine ganze Traube Angehöriger wartete schon auf ihre Liebsten. Nur ich war ganz allein :cry:
    Auf dem Weg zur Metro fiel mir gleich die erste Neuerung auf. An jedem Bahnhofseingang gibt's jetzt Gepäckkontrollen und Sicherheitsschleusen. Die wären bestimmt erst richtig effektiv wenn die Wachleute bei lautem Piepsen die Leute auch kontrollieren würden.

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    Also fix eine Fahrkarte für die Ubahn gekauft und zur Station Majakowskaja gefahren, in der Nähe hatte ich über Airbnb ein Zimmer gebucht. Bin allerdings erst einmal etwas planlos herumgelaufen, denn die ausgedruckte Wegbeschreibung zeigte den Weg vom anderen Ausgang. Herumfragen brachte mich auch nicht weiter, da kam immer nur "Keine Ahnung, ich bin nicht von hier" als Antwort :becky:

    In meinem Zimmer (schöner Plattenbau aus der guten alten Zeit) habe ich dann erstmal die Ergebnisse der Bundestagswahl abgerufen (I raged!), um mir dann von meiner Vermieterin sagen zu lassen ich solle doch froh sein, in Deutschland gäbe es immerhin richtige Wahlen. So kann man's natürlich auch sehen...
     
  10. Schwabe

    Schwabe Jungfuchs

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    super Bericht schöne Bilder
    wie lange ging die Reise denn?
    Und was kostet so was in etwa?
     
  11. Kitakinki

    Kitakinki Reisefuchsforum Legende

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    Fahrkarten und Unterkünfte für 21 Tage ~1.550 Euro, abgehoben habe ich noch zusätzlich um die 600 Euro, davon allerdings knapp 80 € wieder als Rubel zurück nach Deutschland gebracht.
     
  12. Schwabe

    Schwabe Jungfuchs

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    hört sich gut an,als Eisenbahnfan würde mich das auch mal reizen,aber ist das mit nur 3 Wörtern Russisch Kenntnissen ratsam? :RpS_biggrin:
     
  13. Kitakinki

    Kitakinki Reisefuchsforum Legende

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    Es würde zumindest kompliziert, auf Fremdsprachenkenntnisse darf man im Ostblock nicht vertrauen. Es geht ja schon damit los dass oft nichtmal nicht-kyrillische Ausschilderung vorhanden ist.

    In Moskau selbst hab ich erstmal einen Griabigen gemacht, schließlich war das immer noch Urlaub und keine Forenreise eines Eisenbahnerforums. Neben den klassischen Touristenattraktionen wie dem Roten Platz oder dem Kreml habe ich mir auch zwei Spiele der Kontinentalen Eishockeyliga angeschaut.

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    Eins davon fand in Podolsk statt, einem Vorort von Moskau. Plattenbauten galore! Die Hinfahrt selbst war schon umständlich genug, am Kursker Bahnhof ist nämlich nichts auf englisch ausgeschildert und die Leute, die ich gefragt hatte, wussten auch nicht ob der Zug nach Podolsk fährt. Ein Geschäftsmann meinte dann der Nächste führe nur bis Sherbinka, da müsste ich umsteigen. Hat dann auch funktioniert, nur dass die Elektritschka erstmal mit offenen Türen losfuhr.

    Die Eintrittskarte war mit knapp 10 Euro erschwinglich, es spielten Witjas Tschechow gegen ZSKA Moskau. Witjas war zu meinen Zeiten als fanatischer Eishackelanhänger auch in Mitteleuropa bekannt, aufgrund der Massenschlägereien gegen Awangard Omsk und dem Stürmer Darcy Verot, welcher regelmäßig Spieldauerstrafen kassierte.

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    Neben Cheerleadern gabs Polizei.

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    Und Polizei.

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    Die Polizei war übrigens auch da.

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    Das Spiel war mittelmäßig, solides DEL-Niveau, aber von einem sportlichen Gegengewicht zur NHL ist man noch ganz weit entfernt. ZSKA hat verloren, Stimmung nichtexistent.
    Zum Stadion war ich mit dem Trolleybus gefahren, zurück zum Bahnhof gings dann mit dem erstbesten Bus welcher "Stantsija" angeschrieben hatte. Ohne Kyrillisch ging auch hier nichts, ich würde sogar behaupten dass man in der japanischen Pampas mehr Englisch findet als in Russland.

    Das zweite Spiel war Spartak Moskau gegen Awtomobilist Jekaterinburg, im altehrwürdigen Sportpalast zu Sokolniki. Die Polizei war auch schon da.

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    Dieses Mal mit Schützenpanzern und OMON, der berüchtigten Sondereinheit.

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    Es gab Kontrollen am Stadioneingang, an den Aufgängen und am Blockeingang, die ersten beiden mit Abtatscheln. Das Spiel selber war wieder ziemlich mau, Spartak hatte zwar engagierte Supporter, aber aufs Eis hat sich die Leidenschaft nicht übertragen. Sieg für Awtomobilist nach Penaltyschießen. Der Zuschauer hinter mir war etwas ungehalten und ich habe ein paar neue, nützliche Wörter gelernt.

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  14. andro5

    andro5 Gesperrt

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    Ich wurde euch auch Sud-Osten empfehlen, vielleicht nicht die Bosnien und Herzegowina, weil da schon nicht viele strecken mit Schienen es gibt, aber doch in Serbien, und auch Montenegro, Makedonien auch! :)
     
  15. Kitakinki

    Kitakinki Reisefuchsforum Legende

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    Huch! Da war ja noch ein Reisebericht zu schreiben!

    Das war die Aussicht vom Balkon auf den Moskauer Gartenring. Da war von morgens bis abends Stau. Die Parkerei ist eine Katastrophe, es gibt viel zu viele Autos, deswegen wird einfach jeder Gehweg gnadenlos zugeparkt.

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    Umsteigemöglichkeiten in der Metro. Auf Englisch gibt's nur einen Übersichtsplan, und der hängt auch nicht in jeder Station (oft nur an den Eingängen).

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    Da hinten ist das Mausoleum vom Onkel Lenin. Eintritt kostenlos, nur darf man weder Taschen noch Mobiltelefone oder Kameras mit hineinnehmen. Praktischerweise gibts gleich neben dem Eingang eine Gepäckaufbewahrung!
    Lenin selbst schaut nicht mehr so frisch aus, ein bisschen blass ist er schon.

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    In dem Gebäude links befindet sich das Museum über den Krieg von 1812 sowie die Touristeninformation. Allerdings wieder mit Metalldetektor und Sicherheitskontrolle, deshalb habe ich mir den Besuch dort gespart, einen Stadtplan hatte mir meine Gastgeberin schon gegeben.

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    Tetris!

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    U-Bahn benannt nach W.I. Lenin. Manchmal gibt es pro Station nur einen Ausgang, und beim Umsteigen in eine andere Linie läuft man schonmal mehrere hundert Meter über diverse Treppen.

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    Es ist gar nicht so einfach in der Innenstadt eine vernünftige Wirtschaft zu finden. Die Preise sind recht hoch, und außer Imbissen oder Schnellkost aus den USA tut man sich schwer, ich bin ein paarmal in der Bahnhofsgaststätte vom Jaroslawler Bahnhof gewesen und habe Kotelett nach Kiewer Art gespeist.

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    Von den Städten des Goldenen Rings ist Sergiew Posad von Moskau aus am einfachsten zu erreichen, ca. eineinhalb Stunden mit der Elektritschka. Ich hatte Pech und mir gegenüber saß ein Säufer, der wollte dauernd über Mein Kampf und Adolf Hitler reden, sobald er raushatte dass ich aus Deutschland war :-/
    Die Stadt selbst ist hässlich und heruntergekommen, auf dem Weg zum Sergius-Kloster sitzen Bettler am Straßenrand.
    Im Kloster muss man als Tourist offiziell Eintritt zahlen, das kontrolliert aber niemand, die Pilger müssen nämlich nichts zahlen. Für ca. 20 Euro gab es allerdings eine zweistündige Führung (auf deutsch!) für mich alleine durch die Anlage, mit umfangreichen Erklärungen zu orthodoxer Liturgie, den ganzen Heiligen sowie der Ikonostasen in den Kirchen. Wen es mal dorthin verschlägt, die Investition lohnt sich!

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  16. MaxyE

    MaxyE Jungfuchs

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    Hey,

    das klingt nach einer faszinierenden Reise! Mein Traum ist es ja mit der Transsibirische Eisenbahn zu fahren. Aber alles eine Frage der Zeit und des Geldes..
     
  17. Kitakinki

    Kitakinki Reisefuchsforum Legende

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    Und schon geht es weiter. In dem Tempo bin ich vor meiner nächsten Reise im Oktober mit dem Bericht ja glatt noch fertig :tongue5:

    Mittlerweile ist in Moskau übrigens in der Innenstadt Parkraumbewirtschaftung und es wird gnadenlos abgeschleppt.

    Zwischen Moskau und St. Petersburg verkehren neben dem Sapsan (von Siemens gebauter Schnellzug, sehr ähnlich dem ICE, aber wohl nicht so wetterfühlig) noch eine ganze Reihe an Nachtzügen. Man kann da sehr günstig im Großraumschlafwagen reisen, oder aber eine stolze Summe für eine Suite im Grand-Express ausgeben. Ich hab's mit einem Bett im Luks-Abteil des Krasnaja Strela ("roter Pfeil") versucht, der Preis war mit ca. 120 Euro allerdings auch nicht ohne. Sicher, man spart sich den Preis für eine Übernachtung, dafür kann man aber auch nicht ausschlafen. Von den 8 Stunden Fahrtzeit gehen zwei für Essen und Morgentoilette drauf.

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    Mein Abteil hatte ich für mich alleine, das zweite Bett war nicht gebucht. Vom Zugpersonal wird versucht Flaschenbier zu 10 oder Häppchen zu 15 Euro anzubieten, habe abgelehnt, so billige Preise sind immer verdächtig, wer weiß wo das Zeug herkommt :rolleyes3:
    Die Schaffnerin nahm dann noch meine Bestellung für das Frühstück auf (Menü war auch auf Englisch), es gab Haferbrei. Feini! Dabei mag ich sowas gar nicht, hatte aber nicht richtig aufgepasst und ein Abteil mit Zuschlag gebucht.

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    Vor der Abfahrt erklang dann aus den Lautsprechern noch "Moskwa" von Oleg Gazmanow:

    [video=youtube;QvuQLH4zazk]http://www.youtube.com/watch?v=QvuQLH4zazk[/video]

    Der Typ hat viele Schlager im Repertoire, welche die russische Seele ansprechen. Da bekomme ich gleich Lust Opas Schallplatten von Ivan Rebroff rauszusuchen. Dummerweise war der aber Deutscher...

    Die Ankunft in St. Petersburg dann sogar ein paar Minuten früher als vorgesehen. Große Überraschung: Hier gibt's Beschilderung und öffentliche Hinweistafeln auch auf Englisch. In Moskau sucht man sowas vergeblich.

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    Wirklich ausgeschlafen war ich nicht, bin also vom Moskauer Bahnhof mit der Ubahn bis zum Sennaja Pl. gefahren und von dort noch ein paar Minuten mit dem Bus (uuuh, alles auf Kyrillisch!) zu meiner über Airbnb gebuchten Unterkunft. Meine Gastgeberin hatte noch einen Rausch vom Vortag, ihr Sohn war nämlich zu einem seltenen Heimatbesuch vom Wehrdienst zurück. Zudem wohnten da insgesamt 6 Leute in einer doch gar nicht so großen Wohnung (keine Kommunalka, die waren alle miteinander verwandt), welche alle ihre Räusche ausschliefen. Bis auf die siebenjährige Tochter, die war schon munter und hat gleich mal mithilfe eines Plastikalphabets überprüft welche russischen Buchstaben ich schon lesen kann.
     
    Zuletzt bearbeitet: 25. August 2014
  18. Taunusianer

    Taunusianer Reisefuchsforum Legende

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    Danke fuer den Bericht. Ich freue mich auf die Fortsetzung.
     
  19. Gusti

    Gusti Reisefuchsforum Legende

    Registriert seit:
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    Fein, schön, dass Du hier weitermachst.
    Hab grad ein Grinsen im Gesicht.

    Wohin geht's denn im Oktober?

    LG
    Gusti
     
  20. Kitakinki

    Kitakinki Reisefuchsforum Legende

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    644
    Nach Japan (öfter mal was Neues!), Taiwan und Australien. Für letzteres hab' ich noch gar keinen Plan, mal sehen wo's mich hinverschlägt.

    Im Treppenhaus meiner Unterkunft empfing mich ein selbstgeschweißtes Heizregister. Hab' ich in Deutschland noch nicht gesehen, meine Kollegen aus der ehemaligen DDR konnten dazu allerdings die ein oder andere Anekdote erzählen. Auch zur heute noch in Russland beliebten Regulierung der Raumtemperatur: Einfach das Fenster aufmachen wenn's zu warm wird (was bei den zugigen Fenstern aber sowieso nicht passieren wird). Mir gefallen diese Petersburger Altbauten, allerdings könnten viele davon etwas mehr Instandhaltung gebrauchen.

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    Einen längeren Spaziergang habe ich auf dem Moskauer Prospekt gemacht. Hin kommt man da mit der Ubahn, die recht tief unter der Erde liegt. Mal schnell nur eine Station in der Innenstadt fahren lohnt sich nicht, zu Fuß ist schneller. Bis man da die Rolltreppe runter, gefahren, Rolltreppe wieder rauf ist, evtl. vorher noch zum Jeton-Kauf angestanden hat...
    Am Siegesplatz begrüßen einen jedenfalls gleich Arbeiter und Soldat am Denkmal für die heldenhaften Verteidiger Leningrads.

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    Lenin darf natürlich auch nicht fehlen. Es gibt noch andere Skulpturengruppen, die sind ebenso martialisch aufgebaut. Unter dem Denkmal hat's ein kleines Museum mit Filmausschnitten, Fahnen, Orden und Karten zur Belagerung von Leningrad um 2. Weltkrieg. Muss man sich nicht unbedingt ansehen, eignet sich aber gut zum Aufwärmen.

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    Hier Werbung mit dem berühmten russischen Schauspieler Sherar Depard'jo. Der ist v.a. in Frankreich bekannt.

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    Im Haus des Sowjets war dieser nie untergebracht, nur eine Militärkommandantur während der Belagerung von Leningrad. Die Leninstatue kam erst später dazu, heute wird das Gebäude als Gewerbefläche vermietet. Obenauf das Wappen der russischen Sowjetrepublik mit dem Wahlspruch "Proletarier aller Länder vereinigt euch".

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    Das Moskauer Tor, erbaut nach dem russisch-osmanschen Krieg 1828-29. Leider nicht mehr auf dem Bild: Der Posten der Verkehrspolizei an der linken Straßenseite. Die hieß früher GAI (staatliche Automobil-Aufsichtsbehörde), hatte allerdings selbst für russische Verhältnisse ein ausgesprochen schlechtes Image, da die Polizisten ("Gaischnik") weniger an Verkehrssicherheit, sondern mehr an Schmiergeld interessiert waren. Der russische Rechtsstaat ist vorsichtig ausgedrückt noch ein wenig ausbaufähig, dementsprechend beschränkt sind auch die Mittel gegen falsche Behauptungen seitens der Pozilei vorzugehen.
    Mittlerweile nennt sich die Verkehrspolizei "GIBDD", staatliche Aufsichtsbehörde für Verkehrssicherheit, die Russen sagen allerdings nach wie vor Gaischnik.

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